Die wesentlichen Unterschiede im biologischen Abbau
Wer an biologisch abbaubare Kunststoffe denkt, stellt sich oft vor, dass sich diese Materialien einfach „auflösen“. Doch so einfach ist es nicht. Biologischer Abbau ist ein komplexer Prozess, der von vielen Faktoren abhängt – vor allem von der Umgebung, in der das Material am Ende seines Lebens landet.
Das BioSinn-Paper des nova-Instituts zeigt deutlich: Nicht alle Materialien bauen sich gleich ab. Entscheidend sind Temperatur, Feuchtigkeit, Sauerstoffgehalt, Mikroorganismen und sogar der pH-Wert der Umgebung. Ob ein Biokunststoff in wenigen Wochen oder erst nach Jahren verschwindet, hängt also stark davon ab, ob er im Kompost, im Boden, im Süßwasser oder im Meer liegt.
Industrieller Kompost – kontrollierte Bedingungen, schneller Abbau
In industriellen Kompostieranlagen herrschen optimale Bedingungen: Temperaturen um 60 °C, ausreichend Sauerstoff und eine hohe Aktivität von Mikroorganismen. Unter diesen kontrollierten Umständen werden biologisch abbaubare Kunststoffe wie PLA, PBAT oder PBS innerhalb weniger Wochen vollständig zersetzt.
Diese Bedingungen sind allerdings nur in professionellen Anlagen erreichbar. Für Produkte mit Zertifizierung nach DIN EN 13432 gilt daher: Sie müssen sich in sechs Monaten zu mindestens 90 % abbauen können – allerdings nur im industriellen Kompost.
Heimkompost – natürliche Prozesse, längere Zeiten
Im heimischen Gartenkompost sieht das ganz anders aus: Hier schwanken Temperatur und Feuchtigkeit je nach Jahreszeit stark. Die Abbauprozesse laufen deutlich langsamer ab, weil weniger Wärme und Mikroorganismen vorhanden sind.
Produkte mit dem Label „OK Compost HOME“ sind speziell für diese Bedingungen geprüft. Sie dürfen sich bei maximal 30 °C über einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten zersetzen.
Ein biologisch abbaubarer Kunststoff ist also nicht automatisch für den Heimkompost geeignet – nur, wenn er dafür zertifiziert ist.

Boden – lebendiges Ökosystem mit eigenen Regeln
Der Boden ist ein dynamisches, aber unberechenbares System. Je nach Region, Klima und Bodenart variiert der Gehalt an Mikroorganismen und Feuchtigkeit erheblich.
Im landwirtschaftlich genutzten Boden kann der Abbau relativ gut funktionieren, weil hier Sauerstoff und Mikroorganismen in ausreichender Menge vorhanden sind. Anders sieht es im Waldboden oder auf versiegelten Flächen aus – dort sind die Bedingungen wesentlich schlechter.
Produkte mit der Zertifizierung „OK biodegradable SOIL“ oder nach DIN EN 17033 (z. B. Mulchfolien) sind so konzipiert, dass sie sich in dieser Umgebung innerhalb von bis zu 24 Monaten vollständig abbauen.
Süßwasser – langsam und abhängig von der Jahreszeit
In Flüssen, Seen und Teichen herrschen deutlich kühlere Temperaturen (zwischen 0 und 35 °C) und eine geringere Dichte an Mikroorganismen. Das bedeutet: Der biologische Abbau läuft wesentlich langsamer ab als im Boden oder Kompost.
Nur wenige Materialien sind derzeit für den Abbau in Süßwasser zertifiziert (z. B. „OK biodegradable WATER“). Die Anforderungen sind hoch – innerhalb von 56 Tagen müssen 90 % des Materials abgebaut sein. Für viele Biokunststoffe ist das kaum erreichbar.
Salzwasser – die größte Herausforderung
Im Meer herrschen nochmals schwierigere Bedingungen: niedrige Temperaturen, hoher Salzgehalt und kaum aktive Pilze oder Mikroorganismen. Kunststoffe, die hier landen, können Jahrzehnte bestehen bleiben.
Zwar gibt es erste Ansätze wie die Norm ASTM D6691 und das Zertifikat „OK biodegradable MARINE“, doch bisher erfüllen nur sehr wenige Materialien diese Anforderungen. Der Einsatz biologisch abbaubarer Werkstoffe in marinen Umgebungen ist daher noch eine große technische Herausforderung – aber auch eine wichtige Zukunftsaufgabe.
Warum diese Unterschiede so wichtig sind
Die häufige Aussage „biologisch abbaubar = umweltfreundlich“ greift zu kurz. Ein Material kann im industriellen Kompost perfekt abgebaut werden, im Boden oder Wasser jedoch über Jahre unverändert bleiben.
Darum ist es entscheidend, die richtige Umgebung für den vorgesehenen Lebenszyklus zu berücksichtigen. Ein Heimkompost-Material gehört nicht ins Meer, und ein industriell kompostierbares Produkt gehört nicht auf den Acker.
Wir entwickeln biologisch abbaubare Naturfaserverbundwerkstoffe, die gezielt für bestimmte Einsatzorte konzipiert sind – etwa heimkompostierbare Kaffeekapseln oder biologisch abbaubare Baumschutzhüllen. So stellen wir sicher, dass sich unsere Materialien dort abbauen, wo sie tatsächlich verbleiben, und nicht zu Mikroplastik werden.
Der biologische Abbau ist also kein universeller Prozess, sondern eine Frage des richtigen Materials am richtigen Ort. Wer nachhaltige Produkte entwickeln will, muss diese Unterschiede verstehen – und genau dort ansetzen, wo Recycling endet und Natur beginnt.